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umgedacht in den vergangenen 20 Jahren. Heute wissen wir: Das Gehirn kann durchaus wieder neue Funktionen übernehmen, es kann sich sehr stark umrepräsentieren und umstrukturieren, sich wieder neue Wege suchen. Es ist sehr ermutigend, dass es so viel Regenerationspotenzial gibt. Kaum ein anderer Bereich der Medizin hat in den vergangenen Jahrzehnten so rasante Fortschritte gemacht wie die Radiologie. Wie hat das die Arbeit verändert? Vor 50 Jahren hat ein Radiologe meist ein einzelnes Röntgenbild betrachtet, oft mit der Lupe an einem Lichtkasten – das war eine ganz andere Art, die Dinge anzuschauen. Dann kam die Schnittbildgebung – also etwa die Computertomografi e und die Kernspintomografi e. Anfangs haben wir noch auf Folien befundet, die von hinten beleuchtet wurden. Als wir 2001 volldigital wurden, dachten wir anfangs: Schrecklich, wie soll man denn Aufnahmen an einem Computerbildschirm anschauen können? Inzwischen kann ich es mir gar nicht mehr anders vorstellen. Und: Heute werden bei einer einzelnen Untersuchung teilweise enorme Mengen an Bildern gemacht. Eine Standard-Magnetresonanztomografi e produziert oft um die 500 bis 1000 Einzelbilder, komplexe Untersuchungen bringen es sogar auf mehr als 5000 Bilder. Wie geht man mit diesen enormen Datenmengen um? In der Zukunft werden uns Computerprogramme noch mehr bei unserer Arbeit unterstützen. Die Bilder müssen zum Beispiel sortiert und aufeinander bezogen werden, und das können Rechner leisten. Bei einem Tumorpatienten geht es etwa um die Frage, ob seine Metastasen größer oder kleiner werden, und der Computer kann mir helfen, indem er die Bilder aus den Voruntersuchungen heraussucht und mit den aktuellen vergleicht. Ich glaube, dass Mensch und Computer immer mehr Hand in Hand arbeiten werden. Wird der Computer irgendwann den Radiologen ersetzen können? Nein, das wird nie der Fall sein! Anders als einige Kollegen sehe ich den Computer – damit meine ich die ganze Rechenleistung, die dahintersteckt – nicht als Feind, sondern als Freund. Als große Chance, die Dinge immer besser zu machen. Ich muss als Arzt wissen, welche Fragen ich überhaupt an die Bilder habe, dann die richtige Methodik wählen und schließlich aus den gewonnenen Daten Sinn machen. Dafür sind immer die Wissenschaft und auch die Kunst der Medizin nötig. Das ist kein Automatismus – und wird auch nie einer sein. Und was man als Arzt auf keinen Fall vergessen darf: Im Zentrum steht immer der Mensch! Wir arbeiten in einem sehr technologisierten Umfeld, das kann dem Patienten durchaus Angst machen: diese großen Geräte, diese teuren Maschinen, dieses Gerattere von einem MRT. Aber im Mittelpunkt soll und muss immer der Mensch stehen. Mit seiner Erkrankung, aber auch mit all seinen Ängsten, Belastungen, Sorgen, Nöten, die eine Erkrankung weckt. • PROF. DR. BIRGIT ERTL-WAGNER: EINE KARRIERE IN DER RADIOLOGIE Sie studierte in München und den USA und ist heute geschäftsführende Oberärztin am Institut für Klinische Radiologie am Klinikum der Universität München (KUM) und Oberärztin und Leiterin des Bereichs Magnetresonanztomografi e. Sie schätzt die Breite ihres Fachgebiets und die vielfältigen Aufgaben ihrer Position: Am KUM forscht sie, unterrichtet Studenten und behandelt Patienten. Die 46-jährige Mutter von drei Kindern plädiert zudem für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nov. 2016 DURCHBLICK 19 INTERVIEW Fotos: DRG, Privat


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