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DRG Magazin 2/2017

REPORTAGE Fotos: Paul Burston, University of Melbourne Meritamuns Leben endete vor ungefähr 2000 Jahren, ihr genaues Alter soll demnächst eine Radiokarbondatierung ergeben. Die exakte Todesursache der jungen Frau ist allerdings nur sehr schwer zu bestimmen, da der Rest ihres Körpers fehlt. Denkbar ist, dass zwei entdeckte Zahnabszesse eine Rolle spielten. Es fanden sich in der Knochenstruktur aber auch Anzeichen, die für eine Anämie, eine Wurminfektion oder Malariaparasiten sprechen. Mithilfe der Daten, die der CT-Scan geliefert hatte, wurde im nächsten Schritt ein 3-D-Modell des Schädels gedruckt, ein aufwendiger Vorgang, der 140 Stunden dauerte. Dieses Modell konnte dann Jennifer Mann als Basis für ihre Arbeit nutzen. Die australische Bildhauerin wurde in den Vereinigten Staaten bei Karen T. Taylor ausgebildet, einer der führenden Expertinnen auf dem Gebiet der forensischen Gesichtsrekonstruktion. Mit der Methode werden sonst unbekannte Mordopfer identifiziert. Als ein echtes Zusammenspiel zwischen Kunst und Wissenschaft beschreibt Jennifer Mann die Methode, „die eine kann nicht ohne die andere existieren“. Mann brachte zunächst Marker auf dem Schädelmodell an, mit denen die Gewebestärke an den betreffenden Stellen festgelegt wird. Grundlage dafür waren statistische Werte von Menschen, die im heutigen Ägypten leben. Anschließend modellierte die Künstlerin Meritamuns Gesichtszüge mit Ton. Glasaugen, eine Perücke und die Bemalung lassen die Büste erstaunlich lebensecht wirken. Eine wunderbare Erfahrung sei ihre Mitarbeit an der Rekonstruktion der Meritamun gewesen, sagt Mann, „ich hoffe, ich bin ihr gerecht geworden“. Das gesamte Team, das die Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Arbeit mit den Ergebnissen plant, sei enorm stolz auf das Projekt, sagt auch Dr. Davey. Meritamun hat dank der Zusammenarbeit und des Engagements vieler Menschen ein Gesicht und eine Geschichte bekommen. Doch eine Frage bleibt: Wie gelangte der Kopf einer altägyptischen Mumie in das Depot einer Universität im fernen Australien? Aufzeichnungen zu seiner Herkunft existieren nicht, doch es wird vermutet, dass der Anatom und Anthropologe Frederic Wood Jones ihn 1907/08 von einer Forschungsreise nach Südägypten mitbrachte, zu einer Zeit also, in der noch niemand Anstoß am Handel mit menschlichen Überresten nahm. Endgültig klären aber lässt sich dieses Rätsel auch mit der Hilfe modernster Technik nicht. • Die australische Bildhauerin Jennifer Mann modelliert in ihrem Atelier die Gesichtszüge der Meritamun 2/2017 DURCHBLICK  19


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